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lokale geschichte unter dem mikroskop

Der Autor und sein Werk: Kai Schäder präsentiert "Karl Trenkel: Unter französischen Bajonetten".

In unserem Verlag ist Anfang Dezember 2020 das zweite Buch erschienen: 'Karl Trenkel: Unter französischen Bajonetten'. Der erste Teil des Buches besteht aus der originalen Denkschrift von Karl Trenkel, der zur Zeit der Ruhrbesetzung durch Frankreich und Belgien (Januar 1923 bis Oktober 1924) vermutlich als Sachbearbeiter im Besatzungsamt tätig war. Er beschreibt darin die schwierige Situation der Bevölkerung in den Bezirken Aplerbeck, Berghofen und Schüren, die damals zum Landkreis Hörde gehörten. Mehrere historische Fotografien ergänzen die Texte. Im zweiten Teil analysiert der Hörder Historiker Kai Schäder diese Denkschrift und ordnet sie ein. Im Interview erzählt er mehr über seinen Arbeitsprozess und das Ergebnis.

 

transfer.: Wie bist du auf dieses Thema gekommen?

Kai Schäder: Ich bin seit 2011 Student an der FernUni Hagen, und habe häufig in der Bibliothek der TU Dortmund recherchiert. Irgendwann habe ich Material zu Schulgebäuden in Berghofen gesucht und bin dabei auf die Denkschrift von Karl Trenkel gestoßen, der ja aus Berghofen kam und dessen Familie auch bis heute dort lebt. Die originale Denkschrift liegt im Archiv der Stadt- und Landesbibliothek Dortmund – da habe ich sie mir ausgeliehen, und fand das Thema so interessant, dass ich beschlossen habe, es für meine Abschlussarbeit genauer zu untersuchen.

 

transfer.: Was waren für dich die interessantesten Erkenntnisse bei der Beschäftigung mit diesem Thema?

Kai Schäder: Besonders interessant ist aus meiner Sicht der mikrohistorische Ansatz, dass wir also anhand von Karl Trenkels Denkschrift erfahren, wie die Situation für "die kleinen Leute" damals war. Die Denkschrift ist wie ein Mikroskop: tiefer in die Gesellschaft reinschauen geht nicht. Spannend fand ich zudem den Vergleich mit einer Denkschrift eines gewissen Paul Küppers aus Bochum: die ist viel härter im Ton, und stellt die Franzosen als Täter und die Deutschen als Opfer dar. Karl Trenkel hingegen ist im Ton mäßiger – obwohl er wahrscheinlich den gleichen Auftraggeber hatte – und formuliert ganz deutlich: "Wahrlich, es ist jetzt nicht an der Zeit und auch nicht Zweck dieser Schrift, Revanchegedanken in die Massen des Volkes zu tragen." Er beschreibt auch, dass es trotz aller Widrigkeiten durchaus auch Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Franzosen gab. Der neuseeländische Historiker Conan Fischer stellt sogar die These auf, dass diese Zeit als "Keimzelle der Europäischen Union" betrachtet werden könne!

 

transfer.: Wem empfiehlst du dieses Buch besonders?

Kai Schäder: Anfangs wusste ich selbst nichts über die Zeit der Ruhrbesetzung in Dortmund, und ich glaube, das geht auch vielen anderen so. Das war auch ein Grund für mich, meine Abschlussarbeit zu veröffentlichen – es ist wirklich eine interessante Publikation für alle geschichtsinteressierten DortmunderInnen, die sich für die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen hier vor Ort, also auf einer ganz kleinen lokalen Ebene, interessieren.