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ein sehr persönlicher glückwunsch zum 10. jubiläum

Julia Salmi-Maas von transfer. bücher und medien mit einem Bücherstapel in der Buchhandlung

Von Julia Salmi-Maas | Ich weiß noch, dass sich was tat hinter den Schaufenstern der ehemaligen Commerzbank in Hörde. Licht, neue Regale, prüfende Blicke. Was dabei herauskommen würde, wusste ich nicht, und das machte die Sache extra spannend.
Heute ist das, was dabei herauskam, mein Arbeitsplatz, und der ist – obwohl das Geheimnis ja schon seit zehn Jahren gelüftet ist – auch extra spannend. Mit Blick auf das zehnte Jubiläum habe ich mich gefragt, was transfer. den Menschen bedeutet, welche Erinnerungen diejenigen an die ersten zehn Jahre dieser Buchhandlung haben, die hier ihre Bücher kaufen, über Bücher sprechen, Bücher vorgelesen bekommen, usw. Ich selbst gehörte von Anfang an auch dazu, und meine erste Erinnerung ist die, die ich oben schildere. Und dann folgen viele Lieblingsmomente, in denen ich – ehe ich hier arbeitete – geplant oder ungeplant zu transfer. abbog und hinter der Schiebetür abtauchte, entweder schon wusste, was ich wollte oder eine Art Speed-Dating mit Buchcovern und Klappentexten machte, was ich jedes Mal sehr genoss. Und wie viele gute Dates mit Geschichten dabei herausgekommen sind, die im wechselhaften Alltag Anker und Flucht gleichzeitig waren! Manchmal kaufte ich nur meine Zeitung. Oder saß mit einem Kaffee an der Theke und beobachtete das Treiben. Einmal lotste ich eine Freundin, die ein Buch übersetzt hatte und es selbst vermarktete, aus ihrer fernen Heimatstadt für eine Präsentation zu transfer. julia_mukoma_klein.jpgEinmal hatte ich in meinem damaligen Job mit dem in den USA ansässigen kenianischen Schriftsteller Mukoma Wa Ngugi zu tun, allerdings erfolgte unser Kontakt aufgrund der Distanz hauptsächlich per Telefon und Mail. Ich staunte nicht schlecht, als ich bei transfer. die Ankündigung für seine Autorenlesung sah. Und schon hatte transfer. eine Freiwillige, die ihn vom Hotel abholte, um ihn für die Lesung zur Buchhandlung zu geleiten. Wenn sich die Gelegenheit für ein persönliches Schwätzchen ergibt, muss man sie nutzen. Das mochte ich schon damals an transfer.: das Persönliche. Man kennt sich. Trotzdem muss man nichts. Aber man kann. Auch als Besucherin etwas beitragen. Heute weiß ich, dass der Austausch, die Begegnung, ein elementarer Bestandteil des Konzepts von transfer. ist: die Buchhandlung als Plattform – klingt theoretisch, fühlt sich aber echt an.

Dann kam der denkwürdige Tag Anfang 2020, an dem ich einen Reiseführer als Geschenk suchte. Dass die Beschenkte ihn bis heute zwar lesen, nicht aber vor Ort gebrauchen konnte – sei’s drum. Das Schicksal hatte etwas anderes im Sinn. Wie es der Zufall – oder eben: das Schicksal – wollte, kam ich mit Birgit Lange-Grieving ins Gespräch. Weil man sich kennt, und über dies und das plaudert, erzählte ich ganz nebenbei von meinen Plänen, mich nach der Elternzeit beruflich neu zu orientieren. Und ehe ich wusste, wie mir geschah, hatten wir ein Gespräch mit ihr und dem Mann an ihrer Seite vereinbart. Offen gestanden gab es in meinem Leben (glücklicherweise) hauptsächlich Vorstellungsgespräche, die nicht wie im Lehrbuch abliefen. Dieses war eindeutig eins davon. Wenn die Buchhandlung eine Plattform ist, war dieses Gespräch eine Raumfahrt. Es taten sich – ohne Übertreibung – neue Welten auf, als ich erfuhr, was für ein Kosmos hinter dieser Buchhandlung steckt. Seit gut einem Jahr bin ich nun bei transfer. für Kommunikation und mediale Strategie zuständig und komme in den Genuss, diesen Kosmos kennen zu lernen. Manchmal zweifele ich daran, ob es mir je ganz gelingen kann, so weitläufig und vielfältig wie er ist. 20210702-do-buchhandlung_transfers_schaper_04.jpgAber zum Glück reisen an meiner Seite ja zwei unglaubliche Kapitäne und mehrere unglaubliche Co-Piloten, die sich bestens auskennen. Sie wissen schon: die Kapitänin ist Birgit Lange-Grieving, die im Laden das Steuer führt, der Kapitän Jochen Grieving, der im Hintergrund die Koordinaten prüft. Die Co-Piloten und -Pilotinnen (ja, ich muss es so sagen) sind Ronny Ehlen, Mario Wiessner, Alexa Mader, Lioba Reul, Monika Meinert. (Meine ebenfalls sehr geschätzte Kollegin Jenny Hauss geht leider bald von Bord, und ich bin gespannt, wer ihren Platz als Kinder- und JugendbuchhändlerIn einnehmen wird.) Was wissen sie nicht alles über Bücher, über die Hintergründe, AutorInnen, Verlage, KundInnenwünsche, Handel und Verkauf, und, und, und. Das, was vorher für mich beim Besuch der Buchhandlung ein diffuses, wohliges Gefühl war, nimmt jetzt, aus der Innenansicht, klare Form an: hinter transfer. steckt Herzblut – und geballte Kompetenz. Es ist wie bei einer Ballerina: ihre Arbeit wirkt leicht und elegant, Arbeit kommt einem gar nicht in den Sinn, wenn man ihren Tanz betrachtet. Und doch ist das nur möglich, weil tatsächlich 100% Arbeit hinter ihrer Performance steckt. Und wie eine Primaballerina machen auch wir diese Arbeit nicht allein: es sind viele, sehr viele Menschen, die dazu beitragen, dass transfer. so ist wie es ist und damit seit zehn Jahren viel(e) bewegt. Ich weiß kaum, wo ich bei der Aufzählung anfangen und wo ich aufhören soll und wie ich es schaffen kann, niemanden zu vergessen. Versuchen will ich es trotzdem: Es sind natürlich diejenigen, die herkommen, um ihre Bücher zu kaufen, über Bücher zu sprechen, Bücher vorgelesen zu bekommen. Es sind diejenigen, die unsere Bücher ausliefern: Chomicha Bouazzati und Rudi Maas. schaeder_weihnacht.jpgEs ist der Ur-Hörder Kai Schäder, der eigentlich als Fahrlehrer arbeitet, aber auch Geschichte studiert und in unserem transfer.-Verlag zwei Bücher herausgebracht hat. Der übrigens auch das Hörder Bier liefert, das nur bei uns zu kriegen ist. transfer.-touren durch Hörde bietet er in pandemiefreien Zeiten auch an, ebenso wie Wolfgang Kienast (der mir zuvor in erster Linie als der beste DJ in ganz Dortmund bekannt war, "La Boum" lässt grüßen!). Es sind die alten Damen von der Dortmunder Tafel, die in ihrer Freizeit den "Lesemäusen" Bilderbücher vorlesen und sich geduldig mit ihnen darüber austauschen. Es ist Margarete Brinkmann, die unsere Veranstaltung "Thema Literatur" moderiert. Es sind all die AutorInnen, die bei uns ihre Bücher vorstellen. Und dann sind es noch ganz viele, die man als Außenstehende/r eigentlich gar nicht wahrnimmt: VertreterInnen der Verlage, natürlich auch die Verlage selbst, die Barsortimente Umbreit und Könemann, unser Unternehmensberater Jochen Wörner, dem in Sachen Buchhandlungen keiner das Wasser reichen kann, Martin Hanf-Dressler und Felix Weihnacht, die unser Design so gut in Szene setzen, wie wir nun mal sind (ha!), das Team von Krebs IT, das unser IT-System auf Trab hält, die Beschäftigten der Softlevel GmbH, die uns die Software bauen, die wir für unseren modernen transfer._04_21.jpgBetrieb so dringend brauchen, Schreinermeister Krafft, der die Buchhandlung als Raum wahr gemacht hat, Joachim Radusch, der uns in vielen langen Stunden mit Rat und Tat bei Audio und Video zur Seite stand, unsere Steuerberatung Jorg & Partner, die Sparkasse Dortmund, unser Vermieter die Hausverwaltung Dahlbüdding und nicht zuletzt diejenigen, die den Laden sauber halten. Eine, die inzwischen nicht mehr bei uns im Hintergrund aktiv ist, soll hier ebenfalls erwähnt werden: die ehemalige Strategieberaterin des Buchhandels, Frau Dr. Dorothea Redeker. Sie begleitete die Gründer von der Erstellung ihres Konzeptes bis zur strategischen Umsetzung während der ersten Jahre mit Kompetenz und Herzblut. Und ihr ist es sicherlich mit zu verdanken, dass transfer. ein Ziel erreicht hat, welches sie einmal als Wunsch formulierte: "dass die Buchhandlung zu einem Ort wird, der selbst Geschichten erzählt".